Glaubenskriege im Einmachglas

Zwei Holzpuppen-Kämpfer mit Säbeln vor dem Vorratsregal mit Weckgläsern

Früher war alles besser? Das vielleicht nicht, aber es war auch gut. Einmachen hat funktioniert. Und das ganz ohne Internet. Ist das heute überhaupt noch denkbar? Für einige unvorstellbar. Dabei gibt es gerade beim Einmachen ganz viel altes Wissen, das noch seine Gültigkeit hat. Es gibt zwar auch neues Wissen und neue Geräte. Aber Physik, Chemie und Biologie haben sich wenig, wenn überhaupt verändert. Und genau das scheinen viele, die sich auf Soziale Medien oder im Netz bewegen zu vergessen, oder schlicht nicht zu wissen. Es prallen da immer wieder Welten aufeinander. Im Stil von “heute ist alles besser!” und was früher war, macht man heute nicht mehr. Diese Meinung teile ich nicht. Ich schätze Erfahrungen und altes Wissen sehr.

Was für ein Fundus an Geschichten, Vorgehensweisen und Rezepten

Hattest du noch eine Mutter oder Grossmutter, die dir das Einmachen beigebracht hat? Ich leider nicht. Aber ich tausche mich liebend gerne mit Kursteilnehmer:innen aus, die noch altes Wissen haben. Die noch wissen, wie es funktioniert, wenn man etwas heiss einfüllt. Und mit “meinen” Bauersfrauen halte ich gerne einen Schwatz übers Vorrathalten. Auch auf Märkten gibt es immer wieder interessante Begegnungen, wenn ich meine Gläser mit Eingemachtem dabei habe. Und natürlich mit Freund:innen, die sich in der gleichen Sparte bewegen. Die auch Kochkurse anbieten oder sogar eigene Produkte vertreiben. Die alle wissen, wie Haltbarmachen von Lebensmitteln funktioniert. Und ich würde mir niemals anmassen, dieses Wissen abzuwerten.

Da kommt mein Wissen her

Ich lese aber immer mal wieder nach, um Dingen auf den Grund zu gehen. Meine Bibliothek umfasst locker 50 Bücher zum Thema Einkochen und Haltbar machen. Darunter sind auch alte Ausgaben, in denen sehr gut erklärt ist, wie Einmachen technisch funktioniert.

Darunter auch sehr wissenschaftliche Literatur. “Haltbarmachen von Lebensmitteln” von Rudolf Heiss und Karl Eichner ist da das Standardwerk in dem ich die Antworten auf die komplexeren Fragen zu Verderb und Haltbarmachen finde. Das nehme ich auch oft bei meinen Artikeln in denen es um Fakten, wie beispielsweise Botulismus, geht, zur Hand.

Ein bisschen spoilern kann ich an dieser Stelle: Bald werde ich dir hier auf dem Blog auch Bücher vorstellen. Viele davon gehören zu meiner Lieblingsliteratur im Bereich Essen, Trinken und Haltbarmachen. Andere haben durchaus das Potential es zu werden. Aber davon zu einem späteren Zeitpunkt mehr.

Streitereien in sozialen Medien

Ich weiss nicht, ob du bei Facebook bist? Aber in Einmachgruppen finden manhmal regelrechte Glaubenskriege statt. Da wird behauptet, beschimpft und ausgeteilt, da staune ich manchmal nur noch. Klar es gibt sehr viele nette Menschen und vorallem tolle Ideen und Inspiration, das ist auch mehrheitlich so. Aber es gibt eben auch den anderen Ton. Und der passt so gar nicht in meine Welt. Einmachen ist für mich Passion, Meditation und Genuss.

“Wenn du Apfelmus heiss abfüllst, bist du verantwortungslos!” “Mit heiss abfüllen kannst du jemanden umbringen, bei dir würde ich nie etwas essen!” Das sind die schlimmeren Voten. Von denen gibt es zum Glück nicht all zu viele. Aber beide habe ich schon ziehmlich genau so gelesen. Falls du da mal “unter die Räder kommst”, einfach ignorieren und bloss nicht persönlich nehmen. Und was noch wichtiger ist: Nicht die Freude am Einmachen nehmen lassen.

Halbwissen wird zu hauf verbreitet

Auch Behauptungen werden wacker rausgehauen: “Zweimal einkochen löst nur das Vakuum.” “Bei 100°C für 120 Minuten wird alles abgetötet.” Das hat zwar beides etwas Wahres, ist aber falsch. Logisch löst sich das Vakuum wieder, wenn ich etwas noch einmal aufkoche. Das ist Physik: Masse dehnt sich durch erwärmen aus, braucht mehr Platz, ergo löst sich das Vakuum. Aber es hat gute Gründe es zu tun. Nur so können wieder auskeimende Sporen abgetötet werden. Das kannst du im Artikel “Was für zweimal einkochen spricht” nachlesen. Und nein, bei 100°C für 120 Minuten ist nicht sicher. Aber auch das bringt die Gemüter in Wallungen.

Weil isso!

Dann gibt es noch die Mythen, oder auf Neudeutsch Urban Legends. Man soll beispielsweise keine Petersilie einkochen, das ist so eine Legende. Weil sonst die Gläser aufgehen. Wenn Gläser aufgehen, wird nach dem Rezept gefragt und der Verursacher ist schnell gefunden: Logo, du hast Petersilie verwendet, das kann man nicht einkochen, das weiss man doch!

Weiss man das wirklich? Aber warum geht das nicht? Weisst du es? Ich habe auf jeden Fall überall gesucht. Es gibt keine Erklärung. Und fallst du eine fundierte Antwort kennst, lass es mich bitte umgehend wissen. Ich suche schon lange danach. Hat mal jemand gesagt, darum “isso”. Ein Mythos also. Vielleicht mit einem wahren Kern.

Das ist mir wichtig (Werte und Haltung

Ja, es gibt Eckdaten die man kennen muss. Es gibt Dinge, da kann man nicht diskutieren, weil Einmachen sonst gefährlich werden kann. Stichworte wie Lebensmittelvergiftung, Botulismus und anderes. Es gibt Temperaturen und Zeiten die eingehalten werden müssen. Mehr ist dabei nie ein Problem, nur weniger kann zu einem Problem für die Gesundheit werden.

Ich zeige in meinen Kursen wie einkochen geht. Das Wissen, die Basis, und einige gute Rezepte die erprobt sind zu vermitteln, das ist mein Ziel. Motivieren und ermutigen, darin sehe ich meine Aufgabe. Die “Knackpunkte” aufzeigen.
Aufklären, analysieren und gerne lerne ich auch mal selber etwas dazu. So funktioniert für mich Erwachsenenbildung. Schliesslich bringen die allermeisten Teilnehmer:innen schon ein wenig Erfahrung mit, und sei es nur vom Verzehren von Eingemachtem.

Manche füllen seit Jahren heiss ein. So hat man es früher gelernt. Und es funktioniert auch immer. Meist geht es um Apfelmus, Kompott oder ähnliches. Es wurde nie etwas schimmlig. Super! Wo ist das Problem? Von mir wird nie jemand hören, das dürfe man nicht. Ganz ehrlich? Wenn du zu denen gehörst, bei denen das gelingt, dann hast du meine volle Bewunderung! Bei mir klappt das leider überhaupt nicht. Winterfell auf allen Gläsern (Schimmel).

Die zwei wichtigsten Regeln:

  1. Ein Glas das sich nach einer Zeit im Keller geöffnet hat, wird IMMER und ohne Ausnahme entsorgt.
  2. Du allein trägst die Verantwortung für den Inhalt deiner Gläser.

Und zum Schluss noch dies:

Es gibt viele Einmachregeln. Darum habe ich auch mit Marie Therésè von Küchenzauber das Haltbar-ABC auf unseren Seiten aufgebaut. Dort findest du zu jedem wichtigen Thema einen Artikel. Wenn du etwas vermisst, oder deine Frage nicht beantwortet wird, schreib mir einfach.

Man braucht manchmal ein dickes Fell im Internet. Ich verstehe alle, die nicht in auf Netzwerken unterwegs sind. Und wenn ich solche Kommentare lese, verstehe ich es noch besser.

Ich bin mittlerweile hauptsächlich von berufswegen dabei. Ich bin neugierig auf die Erfahrung von anderen. Es ist ein Sammelsurium an tollen Ideen. Und ich bin vor allem dabei, weil ich den Austausch mit den vielen erfahrenen Einkocher:innen sowohl virtuell als auch real sehr schätze. Vielleicht begegnen wir uns ja auch mal virtuell? Das ist meine Lieblings Einkochgruppe: Einmachen/haltbarmachen/dörren/fermentieren CH

Herzliche Genussgrüsse aus der Schreibstube

Frau Rührwerk

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