Früher war der liebe Gott für die Haltbarkeit zuständig

Einmachgläser und Einkochtöpfe

“Hier nimm die drei Franken. Damit läufst du in die Kirche hoch. Der Pfarrer soll eine Messe lesen, dass unsere frisch eingekochten Gläser auch zu bleiben!” So hat es die Mutter einer Kursteilnehmerin jeweils aufgetragen. Wenn Einmachtag war, wurde jeweils richtig viel eingekocht. Auf dem Holzherd natürlich, mit dem alten Sterilisierhafen. Schliesslich musste das Eingekochte den ganzen Winter haltbar sein. Tiefkühler gab es noch nicht überall und wenn, dann musste man ein Fach mieten. Wer einen grossen Garten hatte, musste also einkochen. Der Pfarrer hats gut gemacht, die Gläser hätten jedenfalls immer gehalten. Wobei gut gemacht hat es wohl eher die Mama.

Trocknen und Kühlen konnte man auch ohne Strom

Schon immer versuchte man Lebensmittel haltbar zu machen. Für schlechte Zeiten, wie den Winter. Man war froh, etwas zu Essen zu haben. Sehr schnell merkten unsere Vorfahren, dass man Lebensmittel trocknen kann. Also hat man Kräuter, Früchte, und auch Fleisch getrocknet. Dass kühl lagern lebensverlängernd ist, hat man ebenfalls sehr bald bemerkt. Felsenkeller die das ganze Jahr eine konstante Temperatur von 8 – 12°C hatten, waren ideal. Und im Winter hat man sogar Eis in die Felsenkeller gebracht, um noch tiefere Temperaturen zu bekommen. Dieses hielt dann gut und gerne auch mal bis in den Sommer hinein. Sozusagen erste Tiefkühler. Und erst noch ökologisch, da sie komplett ohne Strom auskommen.

Wie das Einkochen entdeckt wurde

Bereits 1700 gab es Versuche Lebensmittel durch einkochen haltbar zu machen. Das Potential wurde damals aber noch nicht erkannt. Die Versuche wurden von Denis Papin mit abdichtbaren Kupfertöpfen gemacht. Das hat sich allerdings nicht durchgesetzt und wäre wohl für die normalen Bürger auch nicht erschwinglich gewesen. Und sehr kompliziert. In einer Haushaltküche wohl nicht praktikabel.

Für die Truppen im Krieg wurde eingekocht

Napoleon brauchte etwas um seine Truppen im grossen Stil mit Lebensmitteln zu versorgen. So schrieb er 1810 einen Wettbewerb aus. Diesen gewann Nicolas Appert, der bereits 1790 entdeckt hatte, dass Lebensmittel haltbar waren, wenn man sie auf 100°C erhitzte. 1804 gründete er die weltweit erste Konservenfabrik. Die Auflage war, dass er darüber ein Buch schreiben musste und das auch tat. Auf Deutsch erschien es unter: Das Buch für alle Haushaltungen, oder: Die Kunst alle thierische und vegetabilische Nahrungsmittel mehrere Jahre vollkommen genießbar zu erhalten, Koblenz: Pauli et Cie.

Spannenderweise gab es also zuerst Konservendosen, bevor in Gläsern eingekocht wurde. Nur leider konnte im einfachen Haushalt nicht mit Dosen konserviert werden. Das war teuer und Dosen kaufen war sowieso nicht wirtschaftlich. Also musste eine andere Lösung gefunden werden. Wobei das erstaunlicher Weise eher lange dauerte.

Endlich “haushaltstauglich”!

Es dauerte aber noch einmal ganze 100 Jahre bis Robert Rempel ein Patent auf Gläser anmeldete, die mit Gummiringen und Blechdeckeln so verschossen werden konnten, dass sie fürs Einkochen geeignet waren. Und wie das so ist mit grossen Erfindungen, es muss auch noch jemand da sein, der sie umsetzt. Das erlebte Rempel leider nicht mehr. Er starb 1893 und nach seinem Tod kauften Johann Weck und Georg van Eyck das Patent. Am 1. Januar 1900 lief das erste Weckglas vom Band. Und da war es auch für normale Bürger möglich, einzukochen. Ein erster Boom startete.

Ungefähr gleichzeitig nahm in der Schweiz die Glashütte Bülach ihren Betrieb auf und fing an die typischen grünen Bülacher-Gläser zu produzieren. 1944 liefen Jährlich 2.5 Millionen Gläser vom Band. Die Schweiz hat eingekocht, was das Gemüse hergab.

Technischer Fortschritt

In den 50er Jahren kamen die Tiefkühlanlagen auf. Ich weiss nicht, wie es bei dir war. Bei uns hatte es draussen vor dem Volg eine Treppe, die in den Keller ging. Durch zwei Türen kam man in einen grossen Raum, der vollständig tiefgekühlt war. Da konnte man dann sein Kühlfach mieten und in einem Bretterverschlag mit Vorhängeschloss seine Dinge tiefkühlen. Mir war das ganze immer ein wenig unheimlich. Was wenn die Tür zu blieb? Und ich kann mich noch genau erinnern, wie es dort jeweils gerochen hat. Nach dem Holz der Verschläge. Irgendwie seltsam, dass man bei der Kälte überhaupt etwas riecht.

Warum ich mich so genau erinnere? Ich habe immer noch ein Tiefkühlfach in einer solchen Gemeinschaftsanlage. Es gibt noch eine bei uns in Wald in der Hueb oben. Und sie riecht immer noch genau so, wie die von früher.
Man hatte jetzt ein Tiefkühlfach. Das war modern. Und Tiefkühlen ging schneller als Einkochen, also verstaubten die Bülacher-Gläser und es wurde lange alles tiefgekühlt.

Ein erstes kurzes Revival

In den 70er Jahren war Einmachen plötzlich wieder in. Es gab neue Bücher und es wurde wieder eingekocht. Vorallem Früchte und Kompott, um dieses schnell verfügbar zu haben. Und gefühlt jede Hausfrau hatte ihren eigenen Rumtopf angesetzt. Rumtopf mit Vanilleglace, das war DAS Dessert. Wobei wir Kinder natürlich nichts davon bekamen. Und auch der ominöse Topf war für uns Kinder absolut tabu. Wie wenn mich das vom Probieren abgehalten hätte. Wobei, wirklich geschmeckt hat es mir nicht. Dafür war ich noch zu jung. Also habe ich es bleiben lassen. Viel lieber habe ich Süssigkeiten gemopst. Die hat meine Mama jeweils auf der grossen Holzhurde (das Regal zum lagern von Lebensmitteln) im Keller ganz oben versteckt. Raufklettern war für mich nie ein Problem 😉

Aber jetzt bin ich abgeschweift. Zurück zum Einkochboom. Anfang 80iger konnte man plötzlich Tiefkühltruhen für den privaten Gebrauch kaufen. Wow, war das bequem! Alles einzufrieren, und nicht mehr ins Dorf laufen müssen. Also waren die Gläser einmal mehr arbeitslos. Und leider haben es viele auch nicht in die Neuzeit geschafft. Wenn irgendwo ein Keller geräumt wurde, hat man sie häufig einfach entsorgt. Schade, weil heute sind sie wieder gesucht.

#wissenwasdrinist

Und wie das so ist mit Trends, sie kommen immer wieder. In den letzten Jahren wurden die Konsument:innen wieder kritischer. Ich will wissen, was in meinem Essen drin ist. Es gab und gibt immer wieder verschiedene Lebensmittel-Skandale. Zusatzstoffe sind teilweise gesundheitsschädigend oder schlicht überflüssig. Weniger Zucker, weniger Salz und bitte auch ohne Palmfett! So wollen wir das. Weg von immer alles – hin zu saisonal und regional oder eben zu eingekocht. Nicht zuletzt ist es auch ein tolles Gefühl, eigene Vorräte im Keller zu haben.

Überlieferte Techniken

Aber wie ging das nochmal? Was sind die Regeln? Wie hat das meine Oma eingekocht? Meine Mama ist ja eher von der Generation Einfrieren. Früchte und Marmelade hat man heiss eingefüllt. Da meistens genug Zucker dran war, war das auch kein ein grosses Problem. Und dann hat man sie noch kurz umgedreht. Ja ich weiss, sollte man nicht unbedingt machen. Darüber habe ich letzte Woche hier geschrieben.

Man wusste früher wenig von Schimmelpilzen. Dass sie die ganze Marmelade durchwachsen. Man hat grosszügig abgestochen und den Rest gegessen. Food waste war kein Thema. Ob es gesund war, ist die andere Frage. Aber die meisten, die mir das aus der Jugend erzählen, sind heute purlimunter. So schlimm kann es also nicht gewesen sein.

Manchmal hat man auf Marmelade auch Schnaps oben drauf gegossen und diesen angezündet. Sozusagen sterilisiert und gleich abgefackelt. Hat auch sehr gut funktioniert. Ich glaube so hatte jede Familie ihre Technik. Klar gab es Bücher und Zeitschriften zum Thema. Sowohl die Glashütte Bülach, als auch Weck haben Gebrauchsanweisungen und Rezepthefte herausgegeben. Aber vieles war überliefert und “hat man immer schon so gemacht”. Gibt es in deiner Familie auch solch überlieferte Techniken? Lass es mich in den Kommentaren wissen.

Gemeinsam eingekocht

Was für ein Bild. Die Familie sitzt um den Küchentisch und rüstet. So ist es bei Edith und so war es schon, als sie Kind war. Alle helfen mit. Da ist dieser grosse Berg mit Bohnen, der eingekocht werden will. Die Berge von Zwetschgen, wollen gerüstet werden. Jeder hat ein Messer und eine Schüssel vor sich. Es finden tolle Gespräche statt und zum Schluss hat man ein tolles Resultat, das am nächsten Tag aufs Vorratsregal gestellt werden kann. Und die Kinder lernen, dass nicht alles Essen nur aus dem Supermarkt kommt, sondern dass man richtig tolles Essen selber machen kann.

Wenn du unsicher mit der Technik bist und gerne wissen willst wie es richtig geht, dann komm zu mir in einen Einmachkurs. Dort stellen wir gemeinsam aus wertvollen Zutaten Genussgläser her. Ich zeige dir, wie du in deiner Küche daheim, ganz einfach einen tollen Vorrat aufbauen kannst. So, dass du stolz und sicher darauf zurückgreifen kannst. Ich erkläre dir die Techniken und die Zusammenhänge, die du brauchst um zu Verstehen, wie es funktioniert. Meine Kurse finden in Aarau, in Wald oder in Winterthur statt. Auf der Kursseite findest du die aktuellen Kurse.

Und zum Schluss noch dies…

Iss nur, was deine Urgrossmutter als Lebensmittel erkannt hätte! Ich bin der Meinung, auf diesen Spruch sollten wir uns wieder mehr besinnen. Ich schaffe es zwar nicht, all unsere Lebensmittel selber herzustellen. Ich habe meine Favoriten, die werden jedes Jahr eingekocht. Ich backe Brot und mache Nudeln, wenn ich Zeit habe. Und dann ist da noch die Kür. Da probiere ich Dinge für die Kurse und den Blog aus. Wobei sich daraus auch immer wieder mal ein Favorit entwickelt.

Ich kenne Menschen, die praktisch alles selber herstellen. Die einen ganz genauen Plan haben, wieviel sie, wovon brauchen. Viele haben ihre Bezugsquellen oder ihren eigenen Garten, den sie genau so anpflanzen, dass der Vorrat aufgeht. Selbstversorgung wo immer möglich. Das ist dann die Königsdisziplin. Du kannst ganz einfach mit Konfi oder Tomatensauce anfangen. Einfach so zum Spass. Wobei das Einmach-Virus furchtbar ansteckend ist. Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!

Ansteckende Grüsse aus der Schreibküche

Frau Rührwerk

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