Frau Rührwerk sucht das Glück

Leere Gewürzgläser

Selbstoptimierung hier, Selbstoptimierung da! Abnehmen, ein Journal führen, besseres Zeitmanagement, mehr Sport, gesünder Essen usw. Wenn ich die letzten Wochen durch die Sozialen Medien gescrollt bin, wurden mir unendlich viele Möglichkeiten angeboten, wie ich mein neues Jahr noch optimaler nützen kann, um noch erfolgreicher, respektive endlich erfolgreich zu sein.

Ganz ehrlich? Ich kann es nicht mehr hören! Und will es auch nicht mehr lesen! Ich will weder schlanker, noch besser organisiert sein. Ich mag mich, wie ich bin und ich bin auch schon sehr effizient. Punkt!

Was für eine Unart!

Warum sollen wir immer besser, schlanker und schneller werden? Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht? Wer redet uns das eigentlich ein? Nur weil jemand für sich ein System gefunden hat, das für ihn funktioniert, muss es nicht für alle stimmen! Aber es lässt sich vielleicht verkaufen. Ok. das ist legitim. Nur die Menge an Angeboten finde ich momentan unglaublich!

Ich könnte glatt auf den Gedanken kommen, dass ich dick, unorganisiert und chaotisch bin. So als hätte ich mein Leben nicht im Griff. Das lässt mich nachdenklich werden. Man versucht mir einzureden, dass ich all das brauche, weil ich sonst weder glücklich noch erfolgreich werde.

Aber warum sollen wir denn schlank, organisiert und ordentlich sein? Warum sollen wir alle gleich erfolgreich sein? Was haben wir eigentlich davon? Stellst du dir diese Fragen manchmal?

Die Gleichmacherei und das Glück

Es kommt mir vor, als gäbe es Standards. Wenn ich Grösse 36 (maximal 38) trage, einen klar strukturierten Terminplan habe, in dem ich meine Yogastrunde, die Morgenroutine und das Abendritual drin habe, dann passe ich rein. Ich passe in den Raster für Erfolgreiche. Ah ja, natürlich brauche ich noch die entsprechenden Assesoirs und ich zeige auch nur schön aufgeräumte Bilder auf den sozialen Medien. So sehen eben erfolgreiche Menschen aus. Und wenn du das erreicht hast, dann sei gefälligst glücklich!

Aber was ist Glück?

Glück ist für mich, wenn ich genug Zeit für meine Aufgaben habe. Für die Pendenzen, wie auch für meinen Kaffee nach dem Mittagessen. Und wenn dann noch Zeit für einen Plausch mit der Nachbarin, oder Zeit zum Nichtstun bleibt, dann ist es ein guter Tag für mich.

Glück ist wennich mit mir zufrieden bin. Mir selber auf die Schultern klopfen, wenn etwas besonders gut gelungen ist. Oder eben zufrieden auf das schauen, was ich am Tag alles geschafft habe. Zufrieden mit meinem Aussehen, zufrieden mit meiner Kleidergrösse, zufrieden mit meiner geleisteten Arbeit, zufrieden mit mir selber.

Meine Listen

Zugegeben, ich habe einen kleinen Tick. Falls meine Schwägerin diesen Beitrag liest, wird sie jetzt nicken. Ich schreibe nämlich Listen. Verschiedene Listen. Ich liebe Listen, weil sie so schön zeigen, was ich alles gemacht habe. Das ist nicht Selbstoptimierung, das ist Selbstwirksamkeit sichtbar machen.

Damit angefangen habe ich, als mein Sohn klein war und ich gefühlt nichts erledigt habe. Da habe ich angefangen zu notieren, was ich an einem Tag alles geschafft habe. Einfach um am Abend zu sehen, dass ich eben nicht Nichts gemacht habe, sondern unglaublich viele kleine Dinge. Das hat mich glücklich gemacht. Und das hilft mir manchmal heute noch, wenn ich mich im Alltag verliere.

Geld das ich spare

Heute mache ich mir nur noch wenig Gedanken, wie ich mich optimieren könnte. Früher habe ich Dinge ausprobiert. Heute weiss ich, was zu mir passt und was nicht. Ja ich bin manchmal unorganisiert und sogar chaotisch. Gut, zugegeben, manchmal optimiere auch ich ein wenig. Dann wenn es passt, probiere ich gerne mal etwas aus. Wer weiss, wenn es mir den Alltag erleichtert, dann nur her damit!

Ich gebe heute kein Geld mehr für Ratgeber aus, wie man besser, schneller und effizienter werden kann. Ich finde, ich bin gut und schnell genug. Mehr geht nicht, respektive mehr würde mich krank machen. Ich will viel schaffen, aber ich will auch Zeit haben zum Leben. Ganz im Sinne von “weniger ist mehr.”

Auch beim Vorrat ist weniger manchmal mehr

Aktuell bin ich an meinem jählichen Koch-mit-was-du-hast-Januar, in dem ich meine Vorräte ausmiste, respektive Dinge aufbrauche, die sich in meinem Küchenschrank angesammelt haben. Im ersten Jahr habe ich daraus eine grössere Aktion gemacht und auch viel darüber in den sozialen Medien geschrieben.

Ja, ich weiss, das sollte ich wegen der Reichweite. Und schon ist es wieder da: Man sollte mehr! Wenn du das nicht machst, musst du dich nicht wundern, wenn nicht mehr Leute dir folgen! Ohne Fleiss, kein Preis! Selbstoptimierung wäre hier gefragt.

Ja, ja… das stimmt schon, aber auch nicht. Ich bin nämlich nicht faul. Ich tue viel. Aber ich mag nicht vermitteln: “Hey, wenn du deine Vorräte aufräumst, bist du glücklicher.” Ja, es macht mich zufrieden, wenn es ordentlich ist. Mich ganz persönlich. Und ab zu zu berichte ich gerne. Manchmal finde ich auch spannend zu fragen, was andere so machen. Aber jeden Tag? Willst du wirklich jeden Tag sehen, was ich gerade tue?

Instragramisch Denken

Ich habe bemerkt, dass wenn ich mich anstrenge jeden Tag 1-3 Posts zu machen, mein Hirn anfängt in Content zu denken. Plötzlich sehe ich nicht mehr die stürmischen Wolken am Himmel, sondern ich sehe den Post. Ich fotographiere alles im Quadrat. Instagramtauglich eben. Das ist eine andere Denkweise. Ich finde das anstrengend.

Ich verpasse das richtige Leben, so mein Eindruck. Aber das muss längst nicht für alle gelten. Es gibt bestimmt Menschen, denen das einfach unheimlich Spass macht. Ich folge vielen Profilen, einfach weil sie schöne Bilder zeigen, die mich inspirieren. Ungeschönte Bilder, nicht optimiert und durch Filter unendlich verändert. Ein tolles Beispiel ist Celeste Barber. Bei ihr könnte ich mich kringeln vor lachen, wenn sie zeigt, wie die Wirklichkeit ist. Nichts mit Selbstoptimierung.

Etwas zum Schmunzeln: Ich wusste übrigens ganz lange nicht, dass die Menschen Filter für ihre Fotos benützen. Ich dachte, die sehen alle in echt so glatt und “optimiert” aus.

Und zum Schluss noch dies…

Ich habe mir fürs neue Jahr vorgenommen, so zu bleiben wie ich bin, damit bin ich glücklich. Allenfalls etwas weniger von allem, und damit mehr Fokus auf mein Glück, aber sicher keine Selbstoptimierung.

Ein kleines Zugeständnis mache ich an meine Agenda. Mein Zeitmanagement will ich optimieren. Dabei geht es nicht um Effizienz und Produkivität. Es geht um freie Zeit und Koordination. Mit meinem Amt ist alles etwas durcheinander gekommen. Und weil ich es gerne ordentlich habe, suche ich nach Strukturen. So sehe ich meine freie Zeit besser. Das ist meine einzige “Optimierungsmassname” im 2023.

Was hast du dir alles nicht vorgenommen fürs neue Jahr? Was willst du optimieren? Lass es mich wissen.

Herzliche Grüsse aus der etwas nachdenklichen Schreibküche

Frau Rührwerk

10 Meinungen zu “Frau Rührwerk sucht das Glück

  1. Erika Messerli sagt:

    Genauso ist es! Noch einen Tip für die Agenda: Plane Zeit für Dich selbst ein zu Deiner freien Verfügung. Welch ein Luxus in der heutigen Zeit.
    Der grösste Luxus im Leben ist die Selbstbestimmung. Wer kann von sich behaupten, dass er ein selbst bestimmtes Leben führt.
    In diesem Sinne: Bleib wie Du bist und sei glücklich darüber.

    • Frau Rührwerk sagt:

      Liebe Erika, ganz herzlichen Dank. Wie recht Du hast!
      Nur: planen ist das eine. In meiner Agenda steht an einem Morgen “Zeit für mich”. Und am Anfang musste ich lernen, diese zu verteidigen. Sitzungen gehen nämlich meistens auch an anderen Tagen 😉

      Ganz herzliche Grüsse
      Karin

    • Frau Rührwerk sagt:

      Herzlichen Dank und sehr gerne geschehen. Ich würde den jederzeit wieder so schreiben.
      Musste grad schmunzeln über das schöne Wort “Unart”. Ist aber auch wirklich wahr.
      Liebe Grüsse
      Frau Rührwerk

  2. Dagmar Recklies sagt:

    Da ist viel dran.
    Manchmal klicke ich bewusst wieder weg von solchen Beiträgen und merke “Du warst doch bis jetzt völlig zufrieden ohne das. Die reden Dir doch nur ein, dass Du das brauchst”.
    Ich hole mir, was ich gerade brauche. Aber ich optimiere nicht ständig an mir herum.

    • Frau Rührwerk sagt:

      Liebe Dagmar,
      genau so mache ich es auch. Früher hab ich noch mehr geschaut, wo ich optimieren kann.
      Klar gibt es auch Beiträge, da denke ich, das hat was. Besonders wenn Frauen Frauen motivieren, weniger kritisch mit sich selbst zu sein, folge ich auch ab und an. Das bewusste wegklicken finde ich sehr gut. Da gebe ich mir selbst Wertschätzung und sage mir, dass ich passe wie ich bin. Das nehme ich gerne mit. Danke Dir.

  3. Inge Schumacher sagt:

    Liebe Karin!
    Ein wunderschöner Artikel. Du schreibst mir aus der Seele. So sehr, dass ich Deinen Artikel gleich auf meiner Facebookseite teilen werde.
    Einfach nur klasse!! Vielen Dank dafür

    • Frau Rührwerk sagt:

      Vielen Dank liebe Inge,
      das freut mich riesig und ich fühle mich geehrt.
      Ja, der ist wirklich aus der Seele geschrieben, oder wie mein Sohn zu sagen pflegt: was raus muss, muss raus 😉

    • Frau Rührwerk sagt:

      Seit ich sie und Taryn Brumfitt (Film: Embrace) entdeckt habe, kann ich ganz locker mit meinem Körper umgehen. Einfach wunderbar. Und wer sagt mir schliesslich, dass ich nicht ok. bin?

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