Ist “Essen retten” wirklich die Lösung?

Foodninja mit Erdbeeren

Ich habe am letzten Samstag beim Grossverteiler bei uns eine Tasche Gemüse und Früchte gerettet. Das war ganz einfach, ich habe am Morgen schon per App eine Tasche “zu gut zum Wegschmeissen” gerettet. Retten ist im Trend. Dafür habe ich einen Bruchteil des Preises bezahlt. Und es war wirklich eine reichlich volle Tasche. Wobei ich mich immer frage, warum die am Morgen schon wissen, was am Abend liegenbleibt.

Das war drin

  • 2 Äpfel
  • 1 x Tomaten normale Grösse
  • 1 x Cherrytomaten, die Exclusiveren
  • 1 x Mungobohnen-Sprossen
  • 1 x Basilikum frisches Kraut
  • 1 x ein Rettich
  • 1 x Chiccore Salat
  • 1 x Snack-Karotten

Alles war so, dass es sicher am Montag nicht mehr einwandfrei gewesen wäre, ausser die beiden Äpfel, die wären gekühlt auch noch in zwei Wochen gut. Und bis auf ein paar der Snack-Karotten, die von innen heraus faulig waren, konnten wir alles verwerten. Nur macht das Sinn? Es war vieles dabei, was ich so normal nicht kaufen würde. Tomaten die im Winter völlig geschmacklos sind und aus Spanien kommen, Rettich, den wir sonst nie kaufen und Snack-Karotten, die ich so etwas von überflüssig finde. Nein, das alles wäre so nicht in meinem Einkaufskorb gelandet. Zuwenig saisonal, zuwenig regional, zuviel Verpackung (dazu passen Lebensmittel sind Dinge die mal gelebt haben). Ich war froh, dass keine Erdbeeren dabei waren, da hätte ich wirklich kein Verständnis gehabt. Wobei das auch heisst, dass die alle verkauft wurden.

Es ist nicht bei allen Läden gleich

Unser Bäcker bietet das gleiche auch an. Da sind es die eigenen Produkte, die am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden dürfen. Patisserie, vielleicht ein Brot, vielleicht auch noch ein Sandwich. Das macht für mich Sinn. Es ist regional, saisonal und halt so, wie es sonst auch verkauft wird. Das Regal ist aber zur Abholzeit auch nicht mehr voll. Es bleibt wenig übrig. Und das wird günstiger weiter gegeben.

Wobei das anscheinend auch von Bäckerei zu Bäckerei verschieden ist. Die einen bereiten die Taschen, die erst vor Schluss geholt werden können, schon am Morgen vor. Was für mich dann wieder sehr idiotisch ist, weil es ja dann sowas wie geplanter Überschuss ist. Also geplant zuviel produziert. Verrückt oder?

Früher hiess es einfach Feierabend-Prozente und nicht retten

Bevor es Foodsaving, Essenretten oder Anti Foodwaste hiess, gab es das nämlich auch schon. Eine halbe Stunde vor Ladenschluss wurden die Preise auf leicht Verderbliches, oder auf Sachen die bald ablaufen gesenkt. Da gab es die Rabatt-Ecke. So war es bei uns, als ich Kind war. Nur irgendwann ist das in unserer Konsumgesellschaft wohl nicht mehr “salonfähig” gewesen.

Darum musste es Neues erfunden werden

Wie immer, wenn etwas nicht mehr funktioniert, erfindet man einfach etwas Neues: Neudeutsch heisst das jetzt Food Saving, die Foodsaver sind die Foodninjas usw. Es wird kistenweise Essen gerettet. Es gibt sogar Vereine die sich das zur Aufgabe gemacht haben. Und damit meine ich nicht “die Tafeln” oder “Tischlein deck Dich”. Für die gibt es nämlich leider immer weniger, obwohl während Corona der Bedarf bedeutend grösser geworden ist. Es ist halt im Trend.

Ist das wirklich der richtige Weg?

Ja, Essen, das noch gut, ist wegschmeissen, finde ich total daneben. Und Essen kaufen, und vergammeln lassen noch viel blöder. Das kann ich lösen, indem ich meinen Kühlschrankinhalt im Auge behalte. Aber hey, auch bei mir den offenen Quarkbecher, der sich hinten im Kühlschrank versteckt und 3 Wochen später mit dickem Winterfell wieder auftaucht, der ist dann definitiv nicht mehr zu retten.

Nur wenn ich mein “Essen-retten-Paket” abhole, kaufe ich Dinge, die geplant zu viel sind. Warum ich das weiss? Ganz einfach, weil ich schon heute Abend mein Paket für morgen Abend bestellen kann. Die wissen also genau, dass morgen etwas übrig bleiben wird.

Versteh mich nicht falsch, die 5 Pakete, die mein Grossverteiler anbietet sind super. Besser als nix. Aber es wird trotzdem noch sehr viel Ware weggeschmissen. Das Konsumverhalten der Kunden ändert sich dadurch nicht. Es wird höchstens für die Rentnerin, die wenig Geld zur Verfügung hat, schwieriger, weil sie vielleicht keine App und kein Twint (Bezahl App in der Schweiz) hat.

Das nehme ich aus der Erfahrung mit

Aktionen von Bauern, die ihre Waren nicht an den Zwischenhändler liefern können und so wenigstens die zu grossen Karotten nicht unterpflügen, die finde ich richtig toll. Da kann ich eine grosse Menge retten und sie beispielsweise einmachen. Wenn ich sie vergammeln lasse, weil ich doch keine Zeit für die Verarbeitung habe, dann macht es keinen Sinn.

Bei Foodsave Organisationen kann ich es mir auch besser vorstellen, weil ich dann hingehen kann und selbst aussuche, was ich mitnehmen möchte.

Essen im Grossverteiler retten ist für unsere Familie wenig sinnvoll. Ja, als Abenteuer für zwischendurch, wenn es sozusagen Überraschungsküche gibt, kann es mal witzig sein, aber ich werde es eher nicht wiederholen.

… und zum Schluss noch dies

Was mich an der ganzen Sache wirklich stört? Dass Essen retten unsere Haltung zu Lebensmitteln und Produzenten gegenüber nicht verändert. Die Wertschätzung, die Saisonalität und die Regionalität, das alles spielt dabei keine Rolle. Ich kann jetzt einfach sagen, kein Problem, das Essen wird ja gerettet, wenn es nicht verkauft wird. Cool oder?

Nein, ich finde es nur gut, wenn ich etwas daraus mache. Wenn es das ist, was ich brauche. Saisonal und regional einkaufen und daraus Vorräte machen, das finde ich “cool”. Dann schätze ich die Arbeit der Produzenten, dann schätze ich das Produkt und dann habe ich wirklich Lebensmittel gerettet. Alles andere ist für mich nur Marketing um ein bisschen “grüner” da zu stehen.

Wie siehst du das? Bist du ein Food Ninja oder kaufst du lieber das ein, was du brauchst? Lass uns in den Kommentaren diskutieren.

Herzliche Grüsse aus der Schreibküche

Frau Rührwerk

PS. Der Beitrag ist in der #blognacht bei Anna Koschinski von Entspannt und zielgerichtet bloggen entstanden.

3 Meinungen zu “Ist “Essen retten” wirklich die Lösung?

  1. Pingback: Blognacht Vol. 14: Fesselnde Ideen

  2. Aniares sagt:

    Ich bin kein Foodninja – aber ich kaufe jene Lebensmittel im Laden, die aufgrund des Datums reduziert angeboten werden. Fleisch, dassnin den Tiefkühler kann oder problemlos bei mir im Kühlschrank noch ein Weilchen sein kann. Dinge, die sowieso gekauft/gegessen werden von uns. Ich nutze die App “toogoodtogo” nur wegen unserer Metzg (Ueli-Hof) weil sie tatsächlich jene Sachen anbieten, die sie sonst wegschmeissen müssen. Und ich gehe auch nur wenn ich eh da hin muss – weil der Extraweg definitiv auch nicht ökologisch ist…

    • Frau Rührwerk sagt:

      Das coole an den Apps finde ich, dass man seine Favoriten markieren kann. Wobei nicht alle meine Lieblingsläden mit dabei sind.
      Metzger ist etwa so wie Bäcker. Hätten die ihre Produktion nicht im Griff, müssten sie den Laden bald zumachen.

      Was ich Leuten in den letzten Jahren immer wieder mal angeboten habe, ist, dass ich ihnen ihre Früchte abkaufe, wenn sie zuviel davon haben. Oft klagen sie bei mir, dass sie gar nicht nachkommen mit verarbeiten. Dann biete ich an, sie abzukaufen oder gegen andere Fruchtaufstriche zu tauschen. Oder auch für sie daraus Fruchtaufstriche zu machen. So haben sich für mich schon richtige Fruchtquellen erschlossen 😉

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